Misinformation Monitor: Januar 2022

Wahl-Lügen ein Jahr nach dem Sturm auf das US-Kapitol

Kein Halt für Desinformations-Webseiten

Von Kendrick McDonald, Melissa Goldin und Lorenzo Arvanitis
Mit Beiträgen von Chine Labbé, Virginia Padovese, Giulia Pozzi, Marie Richter, Roberta Schmid, Sophia Tewa, Edward O’Reilly  und Sam Howard

Um Wahlen ranken sich immer wieder viele Desinformationen, die den demokratischen Prozess bedrohen. Bei der US-Präsidentschaftswahl fasste NewsGuard das Phänomen in Zahlen. Ein Jahr später zeigt sich: Gut 80 Prozent der Desinformations-Webseiten verbreiten nach wie vor falsche Behauptungen zu dem Thema. Obwohl darüber hinlänglich berichtet wurde, fließen Werbegelder von knapp 900 großen Marken an diese Webseiten.

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In dem 2020 Election Misinformation Tracking Center listete NewsGuard 159 Webseiten, die falsche Behauptungen über die US-Präsidentschaftswahl verbreiteten. Eine aktuelle Analyse zeigt, dass das Problem so drängend ist wie denn je: Etwa ein Jahr nach der Wahl und dem Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 veröffentlicht die überwiegende Mehrheit der besagten Webseiten nach wie vor Falschinformationen über die Wahlen. Das trifft auf 81 Prozent der 113 noch aktiven Webseiten aus dem 2020 Misinformation Tracking Center zu. Sie befeuern damals wie heute das Narrativ, dass die Wahl nicht rechtmäßig gewesen sei. Gleichzeitig verteidigen sie den Angriff auf das US-Kapitol.

Das Problem ist nicht US-spezifisch, sondern global. Denn den NewsGuard-Erhebungen zufolge ist auch die Hälfte der europäischen Webseiten noch aktiv, die im vergangenen Jahr Wahlfahlschlinformationen in Umlauf brachten. Nach wie vor teilen sie die irreführenden Informationen mit ihren Zielgruppen.

Desinformations-Webseiten profitieren von Werbegeldern

Ein Grund für das anhaltende Problem liegt in der Finanzierung der Webseiten. Mithilfe der Daten des Werbetrackingtools Moat Pro fand NewsGuard heraus, dass die besagten Webseiten von Anzeigegeldern von 892 große Marken profitieren. Im vergangenen Jahr gab es zahlreiche Berichte darüber, wie sich unglaubwürdige Infomationsseiten durch programmatische Werbeeinnahmen finanzieren – darunter ein Bericht von NewsGuard und dem Marktforschungsunternehmen Comscore. Diesen Schätzungen zufolge fließen jährlich etwa 2,2 Milliarden Euro an Desinformations-Webseiten. 

Die Zahlen: NewsGuard überprüfte die Veröffentlichung von wahlbezogenen Falschinformationen über einen Zeitraum von 90 Tagen zwischen dem 1. September und dem 1. Dezember 2021. Für das 2020 Election Misinformation Tracking Center berücksichtigte NewsGuard den Zeitraum zwischen dem Urnengang (3. November 2020) und dem Tag der Amtseinführung von Joe Biden (20. Januar 2021). 

Von den US-Webseiten aus dem 2020 Election Misinformation Tracker haben 81 Prozent weiterhin falsche Behauptungen verbreitet. Zählt man auch die europäischen Webseiten mit, liegt der Anteil bei 72 Prozent.

Falschinformationen zur US-Wahl 2020: der Fall Arizona

One America News (OAN), ein von NewsGuard als rot bewerteter, Trump-freundlicher Nachrichtensender, war eine prominente Quelle für Falschinformationen über die Wahl 2020. Unter anderem brachte sie falsche Behauptungen über den Wahlmaschinen-Hersteller Dominion Voting Systems in Umlauf. Das Unternehmen hat deswegen eine Bundesklage in Washington eingereicht, die noch läuft.

  • Kürzlich fand NewsGuard auf der OAN-Webseite einen Artikel vom Oktober 2021 über die von den Republikanern geforderte Nachzählung der Wahlstimmen in Arizona, der irreführende Behauptungen aufstellte. So hieß es darin, dass die Wahl 2020 unrechtmäßig sei. „Der Arizona-Audit-Bericht belegte Zehntausende fragwürdiger Stimmen, illegale Wahlpraktiken und offensichtlich regelrechten Betrug“, berichtete die Webseite. „Die Wahrheit ist, dass Trump gewonnen hat, und die Medien wollen nicht, dass Amerika das herausfindet.“
  • Während des Erhebungszeitraums (1. September bis 1. Dezember 2021) haben mindestens 102 Marken auf der OAN-Webseite Anzeigen geschaltet. Das belegen die Daten von Moat Pro. 

NewsGuard kontaktiere OAN zu der Wahlberichterstattung und zu dem oben genannten Artikel. Christina Bobb, die als Moderatorin der OAN-Sendung Weekly Briefing über das Audit berichtet hatte, antwortete in einer E-Mail: „Der Bericht über die Wahlprüfung in Arizona zeigt eine Reihe von fragwürdigen Abstimmungen und Praktiken auf.“ Sie verwies in ihrer Nachricht auf den Bericht des Senats von Arizona.

24 Falschinformationen zur Wahlprüfung in Arizona

OAN ist nur eine von mehreren Webseiten, die in NewsGuards Election Misinformation Tracker gelistet sind und sich im Herbst 2021 auf die Wahlprüfung in Arizona konzentrierten. Bei dieser kam der Prüfungsausschuss  zu dem Ergebnis, dass US-Präsident Joe Biden tatsächlich mehr Stimmen erhalten hatte als der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Er fand keine Beweise für einen breit angelegten Wahlbetrug. Die Berichterstattung zeichnete ein anderes Bild, denn im September 2021 erschien viele Artikel, die gegensätzliche Behauptungen aufstellten. NewsGuard zählte zwischen dem 1. September und dem 1. Dezember 2021 mindestens 24 Artikel mit Falschinformationen über die Wahlprüfung auf Webseiten aus dem 2020 Election Misinformation Tracker

  • The Gateway Pundit, eine von NewsGuard als Rot bewertete Webseite, streute als eine der ersten Falschmeldungen über die Wahlprüfung in Maricopa County in Arizona. Sie veröffentlichte mehrere irreführende Artikel, denen zufolge das Audit Tausende betrügerische und illegale Stimmzettel aufgedeckt habe.
  • Ein solcher Artikel erschien am 25. September: „Gründe für die Dezertifizierungen der Wahl in Arizona – die Liste von A bis Z: 70.000 doppelte, betrügerische, illegale oder Geisterwahlzettel (das Siebenfache von Bidens Wahlstimmen), fehlende Geräte, gelöschte Daten, an Behörden verwiesene Straftaten.“ Weitere Unwahrheiten folgten: „Die Schlussfolgerung der gestrigen Präsentation der Prüfungsergebnisse des Audits 2020 in Maricopa County ist eindeutig: Die Stimmauszählung 2020 in Maricopa County hätte Joe Biden niemals als Sieger bestätigen dürfen.“
  • Der Artikel war Gegenstand von 4.657 Interaktionen in öffentlichen Facebook-Posts. Er wurde von Facebook-Seiten geteilt, die im Dezember 2021 zusammengenommen mehr als 220.618 Follower zählten, so CrowdTangle, ein öffentliches Insight-Tool von Facebook.
  • Den Daten von Moat Pro zufolge warben im Zeitraum der NewsGuard-Analyse 118 Marken auf The Gateway Pundit. Im September 2021 schloss Google The Gateway Pundit von seinen Werbediensten aus, berichtete unter anderem Forbes.

NewsGuard wandte sich bezüglich des oben genannten Artikels mit einer E-Mail an Jim Hoft, den Gründer und Herausgeber von The Gateway Pundit. Als Reaktion erschien auf der Webseite ein Artikel von Joe Hoft, Redakteur und Zwillingsbruder von Jim Hoft. Darin heißt es: „Unser Land wurde in dem Glauben gegründet, dass die Wahlsieger regieren sollen. Wenn Wahlsiege gestohlen werden, wird das gesamte Gefüge unseres Landes zerstört. Das ist ein sehr ernstes Problem. Wir haben an vorderster Front auf die vielen korrupten und kriminellen Handlungen im Zusammenhang mit dem Wahlbetrug 2020 hingewiesen. Der fragliche Artikel war ein weiterer Baustein, um das Gesamtbild der offensichtlich gestohlenen Wahl 2020 zu zeichnen. Dieser Artikel wurde am Tag nach der Bekanntgabe der Ergebnisse in Maricopa County veröffentlicht.“

Falschinformationen zur Briefwahl

Von NewsGuard als Rot bewertete Webseiten wie Newsmax.com, LouderWithCrowder.com und IndependentSentinel.com veröffentlichten ebenfalls Unwahrheiten über die Ergebnisse des Audits. Andere Webseiten konzentrierten sich auf Falschinformationen zur Briefwahl. Sie behaupteten fälschlicherweise, dass der pandemiebedingte Briefwahlanstieg zu weitreichendem Betrug geführt habe. Dazu gehörten TheConservativeTreehouse.com, FacebookCollapse.com und FrontPageMag.com.

  • TheFederalistPapers.org, eine konservative, von NewsGuard mit Rot bewertete Webseite, veröffentlichte im Dezember 2021 einen Artikel, den auch schon WesternJournal.com veröffentlicht hatte: „Umfrage: Mehrheit der Wähler glaubt, dass die Wahlergebnisse 2020 in irgendeiner Weise durch Betrug beeinflusst wurden.“ In dem Artikel hieß es weiter: „Einer der Gründe, warum diese spezielle Wahl so anfällig für Betrug war, war, dass verschiedene Staaten beschlossen, ein Briefwahlsystem einzuführen.“
    • Der Artikel stellte fest, dass „kein Gericht glaubwürdige Beweise für einen weit verbreiteten, koordinierten Betrug bei der Wahl 2020 ermittelt hat – zumindest noch nicht”. Er wies darauf hin, dass „betrügerische Stimmen den Wahlausgang in die eine oder andere Richtung lenken können“. Zudem habe es „zahlreiche lokale Betrugsfälle im ganzen Land gegeben, die zweifellos das Wahlergebnis beeinflusst haben, indem sie die Stimmenzahlen beider Kandidaten verändert haben“.
  • Der öffentliche Facebook-Posts mit dem Artikel generierte 2.076 Interaktionen. Er wurde von Facebook-Seiten geteilt, die laut CrowdTangle im Dezember 2021 insgesamt mehr als 2,3 Millionen Follower hatten.
  • Zur Einordnung: Wahlbetrug kommt zwar vor, aber nachweislich nur sehr selten. Die konservative Heritage Foundation unterhält eine entsprechende Datenbank, in der sie Betrugsfälle seit dem Jahr 1986 dokumentiert. Bis zum 22. Dezember 2021 hat sie insgesamt 1.334 Fälle von Wahlbetrug gesammelt, von denen 224 Briefwahlen betrafen. Im Dezember 2021 fand The Associated Press „weniger als 475“ potenzielle Betrugsfälle bei den Wahlen 2020 in sechs umkämpften US-Staaten (Arizona, Michigan, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin).

NewsGuard kontaktierte TheFederalistPapers.org für eine Stellungnahme zu besagtem Artikel. Doch sowohl eine Nachricht über das allgemeine Kontaktformular der Webseite als auch eine E-Mail an Steve Straub, den Direktor und Gründer der Webseite, blieben unbeantwortet.

Ein Wahlmaschinen-Hersteller klagt gegen Desinformationen

AmericanThinker.com, eine von NewsGuard mit Rot bewertete Webseite, war eine weitere zentrale Quelle für falsche Wahlbehauptungen im Jahr 2020. Sie ist bekannt für ihre konservativen Analysen und Kommentare zu politischen und kulturellen Themen.

Anfang 2021 sorgte die Webseite für Aufsehen, als der Wahlmaschinen-Hersteller Dominion Voting Systems bei einer Unterlassungsklage Recht bekam. AmericanThinker.com musste sich bei Dominion Voting Systems für die „völlig falschen“ Behauptungen „ohne jegliche reale Grundlage“ entschuldigen. Zwar lenkte AmericanThinker.com in diesem Fall ein, bei einem anderen Thema rückte die Webseite aber nicht von ihren falschen Behauptungen ab: Sie hält daran fest, dass die Wahl 2020 unrechtmäßig gewesen sei.

In einer E-Mail an NewsGuard äußerte sich Thomas Lifson, der Herausgeber von AmericanThinker.com, auf Nachfrage nicht zu dem besagten Artikel. Er fügte stattdessen einen Link zu der ebenfalls erwähnten Widerrufserklärung der Webseite bei.

Reale Folgen virtueller Falschinformationen

Am 6. November 2021 – mehr als ein Jahr nach der Wahl 2020 – behauptete AmericanThinker.com in dem Artikel „The Big Truth: Election 2020 Really Was Rigged“ (Die große Wahrheit: Die Wahl 2020 wurde wirklich manipuliert), dass Trump das Präsidentschaftsrennen gewonnen habe.

  • In dem Artikel hieß es: „Die Beweise lassen sich wie folgt zusammenfassen: Trump hat am 3. November eine faire Wahl gewonnen, aber eine ab dem 3. November um 22:00 Uhr betrügerische Wahl in einigen wichtigen Staaten verloren. Die Demokraten glaubten ihren eigenen (gefälschten) Umfragedaten, denen zufolge Trump weit abgeschlagen war. Aber sie waren schockiert, als sie sahen, dass er in diesen Staaten mit großem Vorsprung gewinnen würde. Daraufhin gingen sie zu Plan B über und erledigten in den frühen Morgenstunden ihre Drecksarbeit.“
  • Laut dem Artikel auf AmericanThinker.com hätten „die Demokraten mit ihren Verbündeten in den Lügenmedien die normale Stimmenauszählung in beispielloser Weise gestoppt“ und „in den späten Stunden illegal zahlreiche einseitige Stimmabgaben zugunsten von Biden durchgesetzt“.
  • Zwar haben Medien und Regierungsvertreter beider Lager diese Behauptungen grundlegend entlarvt. Doch auf Facebook hat der Artikel von AmericanThinker.com für 2.456 Interaktionen in öffentlichen Posts gesorgt (Stand Dezember 2021). Er wurde von Facebook-Seiten geteilt, die laut CrowdTangle insgesamt mehr als 123.000 Follower zählten.
  • Mindestens 47 Marken haben zwischen dem 1. September und dem 1. Dezember 2021 auf AmericanThinker.com geworben.

Wie Desinformationen den Sturm aufs Kapitol befeuerten

AmericanThinker.com und andere Webseiten haben im vergangenen Jahr hartnäckig den Mythos genährt, dass Trump die Wahl 2020 gewonnen habe. Ausgehend von dieser Falschbehauptung entspann sich ein Netz von Lügen, das auch ganz reale Folgen hatte – einschließlich des Anschlags auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021. Teilweise bewaffnete Randalierer hatten das Regierungsgebäude während einer Kongress-Sitzung gestürmt. In der Sitzung sollte das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen mit Biden als Gewinner bestätigt werden. 

Auch der Anschlag selbst war Gegenstand zahlreicher Desinformationen. NewsGuard fand zahlreiche Artikel, die Unwahrheiten über die Ereignisse vom 6. Januar 2021 enthielten.

  • Auffällig war die Lüge, dass das FBI den Aufruhr inszeniert habe.
    • Dieser Mythos hat seinen Ursprung wohl in einem Bericht der Webseite Revolver News vom Juni 2021. Unter anderem hat ihn Fox News-Moderator Tucker Carlson in seiner Primetime-Show und in seiner dreiteiligen Doku-Serie „Patriot Purge“ über den 6. Januar verbreitet.
    • Viele der von NewsGuard gekennzeichneten Artikel stützten sich lediglich auf Indizien, statt eindeutige Beweise zu liefern. Beispielsweise führten sie vermeintliche Parallelen zwischen dem Anschlag vom 6. Januar und dem Plan zur Entführung der Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, im Oktober 2020 an. FBI-Informanten hatten geholfen, die Entführung zu verhindern.
    • Die Faktenprüfung: Es gibt keine Beweise, dass Bundesagenten den Anschlag auf das US-Kapitol inszeniert haben. Im September 2021 berichtete die New York Times, dass sind mindestens zwei FBI-Informanten in der Menge aufgehalten hatten. Die vertraulichen Unterlagen lieferten aber keine Beweise dafür, dass das FBI an der Planung oder Koordinierung des Angriffs beteiligt war. Der New York Times zufolge „zeigen die Unterlagen, dass ein Informant lediglich aus eigenem Antrieb und nicht auf Weisung des FBI nach Washington gereist war“. Die Times schrieb weiter: „Wenn überhaupt belegen die Aufzeichnungen, dass der FBI-Mitarbeiter das Ausmaß der Ereignisse an diesem Tag zunächst unterschätzt hatte.“
  • Einige Artikel versuchten, die Ereignisse des 6. Januar in ein falsches Licht zu rücken. Die von NewsGuard als Rot bewertete Webseite ZeroHedge.com behauptete zum Beispiel, die Randalierer seien unbewaffnet gewesen. Oder auf der ebenfalls rot eingestuften InformationLiberation.com stand, dass die Eindringlinge eine offizielle Erlaubnis der Kapitolspolizei erhalten hatten.
    • Laut einer Datenbank des Broadcasting-Netzwerks NPR wurden im Dezember 23 der Eindringlinge wegen des Besitzes einer tödlichen oder gefährlichen Waffe angeklagt. Drei weitere standen wegen des Besitzes einer Waffe auf dem Gelände des Kapitols vor Gericht.
    • Außerdem ließen Beamte der Kapitolspolizei die Randalierer nicht in das Gebäude. Videoaufnahmen zeigten aus verschiedenen Perspektiven, wie die Randalierer auf Gerüste klettern, Türen aufbrechen, Fenster einschlagen und sich an Barrikaden vorbeidrängen, um widerrechtlich in das Gebäude einzudringen. Einige griffen dabei Polizeibeamte an.

Europa und das Vereinigte Königreich

Der NewsGuard-Analyse zufolge beschränkten sich die Verschwörungstheorien über die Wahl 2020 und den Anschlag vom 6. Januar nicht auf die USA. Zwar verbreitete ein kleinerer Teil der europäischen Webseiten aus dem 2020 Election Misinformation Tracker auch noch im darauffolgenden Jahr die Falschinformationen. Doch es ist eindeutig, dass die Desinformationen den Weg aus den USA in andere Länder fanden.

Italien

  • In Italien veröffentlichte die von NewsGuard mit Rot bewertete Webseite ComeDonChisciotte.org im November 2021 ein Interview mit dem ehemaligen Senator des Bundesstaates Virginia, Richard Black. Der Titel: „Ehemaliger US-Senator Black zu den Italienern: ‚Eure Freiheit ist in Gefahr. Erhebt Euch gegen die Tyrannei!‘“ („L‘ex senatore Usa Black agli italiani: ‚La vostra libertà è in pericolo. Resistete alla tirannia!‘“).
    • Ohne zusätzlichen Kontext oder Gegenbeweise zu liefern, veröffentlichte die Webseite die Behauptungen von Black: „Die US-Präsidentschaftswahlen wurden massiv gefälscht. In allen sechs umkämpften Staaten hatte Trump einen großen Vorsprung, bis die Wahllokale in der Nacht geschlossen wurden. Die republikanischen Wahlbeobachter wurden angewiesen, die Wahllokale zu verlassen, sodass nur noch Demokraten vor Ort waren. In den demokratischen Hochburgen schleusten sie zahlreiche falsche Stimmen ein, und als die Wahllokale wieder geöffnet wurden, lag Biden auf mysteriöse Weise in allen Staaten vorn.“
    • NewsGuard schickte zwei E-Mails an eine allgemeine Adresse der ComeDonChisciotte.org-Redaktion, erhielt aber keine Antwort.

Deutschland

  • In Deutschland veröffentlichte beispielweise die von NewsGuard mit Rot bewertete Webseite JournalistenWatch.com im September 2021 den Artikel „Ist die Wahl schon gelaufen? Großstädte verzeichnen hohen Anstieg bei Briefwahl“ eine Woche vor der deutschen Bundestagswahl.
    • Die Seite stellte eine direkte Verbindung zwischen den Urnengängen in den beiden Ländern her: “Die letzte Präsidentenwahl in den USA, bei der Trump mit kriminellen, linken Mitteln aus dem Amt geschossen wurde, sollte uns eigentlich Warnung genug sein. Aber nun sieht es so aus, als ob hier ebenfalls gerade die Basis für Betrügereien geschaffen wurde.”
    • Auf Nachfrage von NewsGuard schrieb Max Erdinger, ein Autor für JournalistenWatch.com, in einer E-Mail: “Ich antworte Ihnen, da unser Redaktions-Team im Moment an mehreren Artikeln zu den Indoktrinationsmethoden der sog. Qualitätsmedien arbeitet, deren Webseiten beleuchtet, u.a. weil sie Falschinformationen über die US-Wahl in 2020 und den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar verbreitet haben. Dabei sind wir auf viele Artikel gestoßen, die nicht spekulierten, dass die Briefwahl in DE genauso wie in den USA zu Betrug führen würde, was wir für ein schweres Versäumnis halten.” Erdinger fragte, ob NewsGuard dazu Stellung nehmen möchte.

Frankreich

  • NewsGuard identifizierte mindestens fünf rotbewertete französischsprachige Webseiten, die irreführend über die Wahlprüfung in Arizona berichteten. Ein Beispielartikel erschien im September 2021 auf ResistanceRepublicaine.com mit der Überschrift „Wahlprüfung in Arizona: Glauben Sie nicht den Medien, die Prüfung bestätigt tatsächlich das Ausmaß des Betrugs“ („Audit en Arizona: ne croyez pas les médias, en fait l‘audit confirme l‘ampleur de la fraude“).
    • NewsGuard hat zwei E-Mails an eine allgemeine Adresse der Redaktion von ResistanceRepublicaine.com geschickt, aber keine Antwort erhalten.

Das Fazit: Die NewsGuard-Analyse zeigt, dass sich die Flut von Desinformationen über die US-Wahl 2020 auch ein Jahr nach dem Urnengang kaum verlangsamt hat. So gibt es wenig Hoffnung auf eine bessere Informationslage zu den nächsten Wahlen. Auch der Jahrestag des Sturms auf das US-Kapitol lässt eine weitere Vielzahl von Desinformationen erwarten. Die von NewsGuard mit Rot bewerteten Webseiten werden einmal mehr Zweifel an der Integrität der Wahlen schüren und die Grundlagen der Demokratie in den USA sowie im Ausland in Frage stellen.

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Main Image Credit: Wikimedia Commons, Tyler Merbler from USA